Peru
Am Fuß von Machu Picchu
Daniel Schröer
Der zehnte Tag einer Reise mit vielen Unwägbarkeiten bietet Möglichkeiten für eine erste Zwischenbilanz, doch das bevorstehende Ereignis ließ diesen Aspekt völlig unwichtig erscheinen. Es galt, mit leichtem Gepäck die Zugfahrt nach Aguas Calientes, dem Städtchen am Fuß des Weltwunders, anzutreten und so stand schon das Frühstück unter dem Eindruck gespannter Erwartung. Unfassbar teuer, insbesondere für peruanische Verhältnisse, waren nicht nur die mit jeweils fast 150 Euro zu Buche schlagenden Tickets für den billigen Backpacker-Zug, nein, auch die Preise für eine Übernachtung im Machu Picchu-Dorf lagen weit über den auch nicht immer vollends günstigen Hotelkosten außerhalb dieses touristischen Hotspots. Es hat sich ohne Zweifel herumgesprochen, dass ein westlicher Besucher nicht heim kehren darf, sollte er es gewagt haben, Peru, aber nicht das Weltwunder besucht zu haben. So haben auch wir den Preis zähneknirschend entrichtet, glücklicherweise im Vorfeld, so dass der eigentliche Trip davon nicht mehr überschattet wurde.
Am Bahnhof von Ollantaytambo bot sich ein faszinierendes Bild, zunächst gestaltet durch ein bunt gemischtes Potpourri unterschiedlichster Händler, die von Lebensmitteln über Kleidung bis hin zu Sonnenschutz alle möglichen Waren feilboten. Letzterer war insbesondere bei asiatischen Besuchern hoch im Kurs. Die Schar an Menschen hinter sich lassend, kommt dann der eigentliche Bahnsteig mit den dahinter liegenden Gleisen in Sicht, angereichert mit einem sehr hübsch anzusehenden historischen Zug, ganz in grün gehalten. Ein wirklich tolles Bild, zumal eingefasst in die Bergwelt im Hintergrund und die Inka-Stätte rechterhand. Der Wartesaal erinnerte hingegen sowohl in Aussehen, als auch Enge eher einem osteuropäischen Bahnhof, doch sollte der Zug ja schon bald eintreffen.
Die Chance, Snacks zu kaufen, ließen wir angesichts der überschaubaren Fahrtzeit von gut zwei Stunden verstreichen, was sich noch bereuen sollte, als unser Transportmittel kurz darauf eintraf. Es galt, ein gut sortiertes Chaos beim Einsteigen zu überwinden und auf der reservierten Viererkombi mit mittig installiertem Tisch Platz zu nehmen, wo es nicht nur sehr eng war, sondern die beiden gegenüber sitzenden Spanier die ganze Fahrt über penetrant riechende Lebensmittel verzehrten. Hätten wir mit eigenen kontern können, wäre es vermutlich erträglicher gewesen, so war die Fahrt dann aber doch arg getrübt. Zumal es auch nur wenig zu sehen gab und wir uns mit jeder verstreichenden Minute sehnlicher nach der Ankunft in Aguas Calientes verzehrten. Sehr enttäuschend, vor allem angesichts des Preises, der dann doch wieder zurück ins Gedächtnis kroch.
Glücklicherweise hat Einstein zwar recht und die Zeit dehnt sich aus, je mehr man etwas ersehnt, dennoch kommt man auf solch einer Zugfahrt irgendwann am Zielbahnhof an. So war es auch diesmal und der erste Blick ins weite Rund von Aguas Calientes ließ den Ärger vergessen. Welcome to Machu Picchu Village hieß es, was allein schon für Hochgefühle sorgte. Endlich, das Highlight greifbar nah und nur noch eine Übernachtung, sowie den Erwerb eines Bustickets entfernt. Den durch die Fußverletzung war es schon schwer genug, die enorm steile Dorfstraße zum Hostel zu erklimmen. An die zweistündige Wanderung hoch zum Eingang des Weltwunders war daher nicht zu denken. Beständige „Massage“-Rufe an jeder Ecke motivierten, die nicht enden wollende Straße zu erklimmen, und nach einer Menge nicht zitierbarer Flüche erreichten wir endlich unsere Unterkunft, am buchstäblich letzten Haus des Berges. Irre.
Das alternative El Mistico Machupicchu ist im besten Fall als rustikal zu bezeichnen, mit viel Holz eingerichtet und von sehr gechillten Menschen geführt. Unser Balkon hatte eine schöne Aussicht auf den Fluss und die Berge, auch wenn die Bauruinen gegenüber den Anblick etwas trübten. Neben der Rezeption lümmelte der peruanische Nackthund des Hauses, Capa, lässig auf einer Bank und ließ sich ohne größere Regung von uns streicheln. Ein seltsames Gefühl, als würde man über zähes Leder fassen. Diese Rasse ist definitiv nicht als Kuschelhund auf die Welt gekommen und so ließ er sich im weiteren Verlauf auch nicht mehr blicken, sondern stromerte mit den anderen Hunden in den Gassen des Dorfes herum. Wir taten es ihm gleich und spazierten in aller Ruhe an den verschiedenen Souvenirläden vorbei und querten die Brücke zum Markt, der sich dicht gedrängt vom Flussufer bis zum Bahnhof zieht und alles nur erdenkliche von Handarbeit bis Kitsch im Angebot hat.
Da wir für den kommenden Tag nur noch ein Ticket für die spätmöglichste Rückfahrt ergattert hatten, handelten wir nur spaßeshalber mit dem ein oder anderen Verkäufer, um uns schon mal das Rüstzeug für die tatsächlichen Kaufabsichten anzueignen und einen Überblick der feilgebotenen Waren zu verschaffen. Vieles, das auf den ersten Blick schön aussah, entpuppte sich als Massenware aus industrieller Produktion, was für Magnete nicht dramatisch ist, aber Alpaka-Kleidung etwas abwertet. Doch wir bekamen auch einen Eindruck davon, welche Waren tatsächlich handgemacht zu sein schienen und so wussten wir, wo wir uns nach der Machu Picchu Besichtigung nochmals aufhalten würden.
Mit schlechtem und sehr teurem Essen schlossen wir den Abend, spielten im Restaurant etwas Jenga und ärgerten uns im Anschluss über die Servicegebühr auf der Rechnung, obwohl es im Prinzip nicht den Hauch einer Serviceleistung gegeben hatte. So wurde man kurz vor dem Schlafengehen nochmals schmerzhaft daran erinnert, dass der Besuch eines Weltwunders heutzutage eben zu einem großen Teil touristisches Massengeschäft mit den entsprechenden Preissteigerungen bei gleichzeitiger Qualitätsreduktion als Begleiterscheinung ist. Schade. Aber die Vorfreude auf den Ausflug kehrte rasch zurück und in gespannter Erwartung wechselten wir nach dem Aufstieg zum Hostel zurück ins Traumland.
Keep on rockin‘
Ree
(c) Daniel Schröer
Mitglied im Deutschen
Fachjournalisten Verband